Ev.-Ref. Kirchengemeinde St. Johannis

Geschichte der reformierten Gemeinde in Vlotho

1732

Die reformierte Gemeinde in Vlotho ist eine verhältnismäßig junge Gemeinde. Wir wissen, dass sich bereits 1732 reformierte Christen zusammenschlossen. Sie waren größtenteils aus Lippe in den „nahrhaften Ort“ Vlotho zugezogen. Hinzu kamen Reformierte aus anderen Teilen Deutschlands, darunter auch Nachkommen der aus Frankreich geflohenen Hugenotten. Davon zeugen Namen wie Granjot, Charton, Rabbeau, wohl auch Tintelnot und Begemann. Ihr Einfluss muss beachtlich gewesen sein, geht doch aus den späteren Spendenlisten hervor, dass „französische Gemeinden“ in Emmerich, Cleve, Halle und Wesel für den Kirchbau der Vlothoer Reformierten Geld zusammenlegten.

1745

Die Reformierten besuchten Gottesdienste in lippischen Nachbargemeinden, was aber im Winter beschwerlich war. 1745 stellte der Pfarrer aus Langenholzhausen selbst den Antrag, in Vlotho Gottesdienst halten zu dürfen „der Alten und Schwachen wegen, und damit niemand in dieser wichtigen Sache säumig werde“. Nach vielfachen Bitten wurde erlaubt, dass Pastöre aus Minden, Langenholzhausen und später auch Herford viermal im Jahr Gottesdienst mit Abendmahl feiern und Kranken Beistand leisten durften. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden von lutherischen Geistlichen mit übernommen. Alle Anträge der Reformierten  an die Vlothoer lutherische Kirchenleitung, ihnen viermal im Jahr die lutherische Kirche für Gottesdienste zu überlassen, wurden abgelehnt, obwohl die Reformierten für die Unterhaltung der lutherischen Kirche mit aufkamen.

1758

Die Reformierten trafen sich im Bürgersaal. Da die Zahl der Gottesdienstbesucher aber auf „80, 100 und darüber“ angewachsen war, wurde der Saal „nicht nur viel zu klein – es kam immer wieder zu Ohnmachten während de Gottesdienstes -, sondern auch baufällig, und ein Einsturz war zu befürchten“.

1776

Erneute Bittschrift an den König Friedrich II. („der Große“) in Berlin um Mutbenutzung der lutherischen Kirche. Doch auch scharfe Worte benachbarter lutherischer Geistlicher und selbst des Königs blieben bei den lutherischen Pastören und Kirchenältesten erfolglos. Die Kirchenmitbenutzung wurde abgelehnt. Inzwischen war die Gemeinde auf 210 Glieder angewachsen – Valdorf, Exter und Rehme einbezogen. Dem König wurde vom Hofprediger Fricke aus Minden vorgeschlagen, den Reformierten eine eigene Kirche und einen eigenen Pastor zu geben. Der König selbst erklärte darauf, kein Geld bereitstellen zu können. Es fanden Geldsammlungen statt, die 300 Taler einbrachten. Bei dieser Summe rückte ein Kirchbau in weite Ferne.

1781

Ein unerwartetes Ereignis brachte eine Wende. Friedrich der Große schenkte der reformierten Gemeinde in Vlotho 833 Taler als Bauhilfe für eine eigene Kirche. Das Geld war ihm aus dem Nachlass –gewissermaßen als Erbschaftssteuer- eines lutherischen Vlothoer Bürgers zugefallen; und ausgerechnet dieser Bürger war ein Hauptgegner der reformierten Bittgesuche gewesen. (Die Beträge finden sich in den Einnahmelisten als „Abschoßgelder“.)

1782

Der König bot den Reformierten an, auf seiner Domäne Deesberg –zwischen Vlotho und Rehme gelegen- einen Bauplatz für ihre Kirche auszusuchen. Wegen der Abgelegenheit des Geländes wurde das Angebot aber nicht angenommen. Stattdessen kauften die Reformierten innerhalb der Stadt ein Grundstück für 1100 Taler. Sie rissen eine darauf stehende Scheune ab und begannen bereits drei Monate nach dem Kauf mit dem Kirchbau. Der König –den Reformierten sonst wohlgesonnen- wollte diese hastige Vorhaben aus finanziellen Gründen unterbinden, doch der Auftrag, „ Steine zu brechen“, war bereits erteilt. Überaus rege Geldsammlungen begannen; doch ohne die „allergnädigsten Geschenke“ des Königs und ohne den Eifer und Einfluss des Inspektors Fricke hätte der Bau nicht finanziert werden können. Wie aus den Listen zu ersehen ist, vermochte die kleine Gemeinde –sie zählte damals 200 Seelen- nur einen vergleichsweise geringen Anteil zu leisten. Über sich selbst schreibt der Inspektor Fricke: „Er werde sich unermüdlich beweisen überall zu kollektieren. Der Herr werde schon die Herzen zur Milde erwecken zu diesem lieblichen Werke für diese bedrängten Leute.“ Inspektor Fricke hatte Erfolg –nicht nur durch schriftliche Bittgesuche, sondern auch durch persönliche Besuche bei Adeligen, wohlhabenden Persönlichkeiten und anderen Gemeinden.

1783

Die Baukosten von 3105 Taler wurden aufgebracht. Nach einer Bauzeit von nur 17 Monaten konnte die Kirche eingeweiht werden. Nach dem erfreulich vollendeten Kirchbau war es noch einmal der Hofprediger Fricke, der der reformierten Gemeinde zu größerer Selbstständigkeit verhalf. Sein ehemaliges Ersuchen, den Reformierten neben einer eigenen Kirche auch einen eigenen Pastor zu geben, war noch nicht erfüllt.

1787

Erst 1787 stießen seine Bittschreiben bei König Friedrich Wilhelm II. auf Gehör. Fricke bat den König, das jährliche Gehalt des verstorbenen Vlothoer Drosten –eines adeligen Verwalters, der den Landesherrn vertrat- der reformierten Gemeinde als fortlaufendes Geschenk zuzusprechen. Der König willigte ein. Jedes Jahr erhielt die Gemeinde nun 500 Taler. Somit konnte sie ihren ersten Pfarrer bei einem Gehalt von 300 Talern einstellen. Der Küster –zugleich als Kantor, Organist und Lehrer tätig- bekam 150 Taler, für Kultuszwecke verblieben der Gemeinde 50 Taler. Der erste Küster war ein Knopfmacher, der seine neue Tätigkeit neben seinem Handwerk und Handel verrichtete. Dies blieb 90 Jahre so, bis 1878 die „niederen Küsterdienste“ vom Kantor- und Organistenamt abgetrennt wurden und bis schließlich 1879 der erste Lehrer eingestellt werden konnte.

1806

Die Gemeinde kaufte für 600 Taler ihre erste Orgel.

1830

Zu jener Zeit wurde die reformierte Gemeinde vielfach gedrängt, sich mit der lutherischen Gemeinde zu vereinigen, was schließlich dadurch gegenstandslos wurde, dass die Reformierten –wie auch die Lutheraner- der „Union“ beitraten. In der „Union“ schlossen sich reformierte und lutherische Gemeinden zu einer Landeskirche zusammen, wobei die einzelnen Gemeinden ihren Bekenntnisstand wahrten. Beide Vlothoer Gemeinden gaben sich 1830 –wohl aus Anlass des Beitritts- einen Namen. Auf Beschluss der Ältesten nennen sich die Reformierten seitdem „Johannis-Gemeinde“.

1884 

Der Kirchturm wurde fertig gestellt. Anlass war wahrscheinlich der 100-jährige Gedenktag der Kircheneinweihung von 1783. Wiederum waren dem Bau zahlreiche Geldsammlungen –mit Genehmigung des Königs auch in anderen Gemeinden- voran gegangen. Der Turm kostete 4800 Mark, die sämtlich durch Kollekten aufgebracht werden mussten.

Bis heute hat sich das äußere Bild unserer Kirche nur unwesentlich verändert.

Der Kirchturmbau wurde gebührend gefeiert. Rechts ist der Gratulationsbrief des ehemaligen Pfarrers Sachsse, abgelichtet, unten ein Gedicht, das zur Einweihung vorgetragen wurde.

Sowohl im obigen Brief als auch im Gedicht wurden neben dem neuen Turm auch die neuen Glocken erwähnt. Auf Bitten der Gemeinde hatte Kaiser Wilhelm I. ihr bereits im Jahr 1873 ein Kanonenrohr geschenkt, das 1870/71 im Feldzug gegen die Franzosen erbeutet worden war. Nach zehnjähriger Zwischenlagerung konnte das Rohr, das ein Gewicht von 996 Pfund und einen Wert von 796 Mark hatte, für die zwei in Hildesheim gegossenen Glocken  mit verwendet werden.

Später – während des 1. Weltkrieges - musste die größere der beiden Glocken an die Heeresleitung abgeliefert werden; sie wurde wieder zu Kanonen umgegossen.

1925

1925 wurde die verbliebene Glocke durch drei neue ersetzt.

1940

Auch im 2. Weltkrieg waren die Glocken wegen ihres Materialwertes für die Heeresleitung interessant –wie auf dem nebenstehendem Schreiben zu lesen ist. Demzufolge ordnete der „Evangelische Oberkirchenrat“ an, am 19. Mai 1940 „eine Glockenopferfeier zu veranstalten“. Sogar der genaue Ablauf der Gottesdienstfeier wurde vorgeschrieben. Wenn auch diese Feier stattgefunden haben mag, so war sie für die reformierte Gemeinde glücklicherweise umsonst: Die Glocken mussten nicht abgeliefert werden.

1911

Die Lutheraner und Reformierten bauten ein gemeinsames Vereinshaus am nahe gelegenen Garzweg. Die Kosten konnten durch Spenden beider Gemeinden gedeckt werden. Das Vereinshaus wurde bis zum Bau eigener Jugendheime und Gemeindehäuser genutzt. (Es muss eine harmonische Zusammenarbeit gewesen sein, teilten sich die Pfarrer doch zeitweise die Arbeit mit den verschiedenen Gemeindegruppen auf.

1918

Das Bild zeigt links die der Straße abgewandte Giebelseite des Pfarrhauses, rechts die Kirche. Der Pastorengarten diente bis 1819 als Freihof und ragte ein Stück in den jetzigen Straßenverlauf der Langen Straße hinein, die damals tiefer lag und schmaler war. Das schöne Pfarrhaus der reformierten Gemeinde ist eines der ältesten Häuser Vlothos gewesen, erbaut 1540. Leider wurde es abgerissen. Man verkaufte das Grundstück an die Sparkasse.

1936/37 

Stattdessen erwarb man einige Minuten Fußweges von der Kirche entfernt –an der Moltkestraße- ein villenartiges Wohnhaus mit Garten. Es war 1910 von Michel Grundmann gebaut worden. Seit 1937 haben die Pfarrfamilien dort gewohnt. Ein kleines Gartenhäuschen diente anfangs als Raum für den Konfirmandenunterricht. Später baute man das Jugendheim an.

Von 1921 bis 1940 wurde die reformierte Gemeinde von Pastor Kolfhaus geleitet. Während seiner Amtszeit wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten im Innern der Kirche vorgenommen:

  • Die Empore wurde gebaut, in erster Linie für den Kirchenchor,
  • der Turmaufgang von außen ins Kircheninnere verlegt,
  • die Kirchenfenster ersetzt,
  • ein neues, bequemeres und mehr Platz bietendes Gestühl eingebaut,
  • eine elektrische Lichtleitung gelegt,
  • die Orgel umgebaut,
  • die Wände gestrichen,
  • ein neuer Abendmahlstisch mit Bibel und Decke, Teppiche und Klingelbeutel wurde gestiftet.

1940

Pastor Barth leitete die reformierte Gemeinde von 1940 bis 1967. In einem Rückblick schreibt er: „Im großen Kampf der Kirche im Dritten Reich hat die Gemeinde ruhig und entschlossen mit den anderen Gemeinden der Bekennenden Kirche zusammen gestanden –nicht ohne dass die damalige Staatsgewalt der kleinen Gemeinde drohend gegenübertrat.“ „Die Gemeinde fühlt sich heute durchaus zusammengehörig mit den andern evangelischen Gemeinden der Synode und der ganzen Kirche, hängt aber mit Liebe an ihrem schönen Heidelberger Katechismus“.

1982

Der dazugehörige Garten bot genug Platz für den Neubau eines großzügigen Gemeindehauses.

 

(Hannelore Butenuth)