Mit 120 Jahren in Top-Form

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# Kirchenmusik

Mit 120 Jahren in Top-Form

Nicht nur Leidenschaft für die Musik, sondern auch Leistungsstolz und ein wenig Trotz klangen mit an: Beim Festkonzert zum 120. Jubiläum der Kantorei brachte Kantorin Līga Auguste-Meier mit ihrem Chor, dem Kantatenorchester Esto mihi und fünf Solisten ein Programm mit dem für die Vlothoer Kantorei typischen Anspruch. Mit dabei ware Stücke, die nicht oft im Repertoire zu finden sind, aber auch zwei echten Publikumslieblingen.

Schon in ihrer Begrüßung dankte Geeske Brinkmann allen Beteiligten und der Kantorin, dass sie zum Jubiläum ein so anspruchsvolles Konzert zusammengestellt hätten, „trotz allem“. Damit bezog sich die Vlothoer Pfarrerin nicht nur auf die anstrengenden Vorbereitungen auf das Doppeljubiläum an der alten Klosterkirche oder auf das am Abend aufziehende Unwetter, sondern auf die Unsicherheit der letzten Wochen. Noch bis zum Vortag hatte die Zukunft der Kantorenstelle in Vlotho auf der Kippe gestanden, bis sich die Synode des Kirchenkreises für ihren Erhalt, wenn auch bei geringerer Finanzierung vonseiten des Kirchenkreises, ausgesprochen hat. 

So war das Konzert eine Gelegenheit, Danke zu sagen. Die Bach-Kantate „Wir danken Dir, Gott, wir danken Dir“ (BWV 29) wurde ursprünglich 1731 nur zur Feier des neuen Stadtrats in Leipzig geschrieben, aber sie spielt emotional auf viel höheren Ebenen. Auch in Vlotho ging es mit viel Wucht und Freude los. Die Kesselpauken ließen hier und immer wieder am Abend das Kirchenschiff beben, und der Chor setzte gleich mit dem Eingangsstück ein so starkes Ausrufezeichen, dass es selbst die Blechbläser übertönte. Die insgesamt fünf Solisten - denn der folgende Charpentier verlangt einen Doppelsopran - waren ebenso in exzellenter Laune. Simon Jass brachte seinen gewohnt warmen und ausdrucksstarken Tenor, der Bad Oeynhausener Kreiskantor József Opicz begeisterte mit seinem kunst- und gefühlvollen Alt, und Antje Bischof glänzte schon in ihrem kürzeren Auftritt in der Bach-Kantate mit ihrem athletischen, aber emotional anpackenden Sopran. Die größten Spuren des Abends hinterließ aber Yannick Spanier. Als Teil des Ensembles der Hannoveraner Staatsoper hat er bereits viele der klassischen Bass-Rollen wie den Sarastro in der Zauberflöte übernommen, und mit seinem extrem starken, aber gleichzeitig klar enunzierten Bass hat er auch in Vlotho Eindruck hinterlassen.

Die Sängerinnen und Sänger auf den Chorrängen und die Solisten hatten im zweiten Teil des kurzweiligen Konzerts eine Erfrischungspause, denn mit Bachs Orchestersuite D-Dur (BWV 1068) stand ein Instrumentalmeisterwerk auf dem Plan. Līga Auguste-Meier leitete das Orchester Esto mihi mit Klarheit und Präzision durch die sechs Teile des Werks, die besonders den Streichern viel abverlangten, aber auch dem spezifischen Barockklang der Instrumente eine gute Bühne boten. Teil der Suite ist das berühmte Air, das eine rhythmisch-tänzerische Struktur mit einer in voller Länge ausgekosteten Emotionalität verbindet. In Popsongs verarbeitet oder sogar als Werbemelodie benutzt ist das Stück weltbekannt. Das Konzert in Vlotho zeigte es in seinem angestammten Platz als einer von sechs Teilen der Suite, jeder mit eigenem Charakter und Klang, aber in der Aufführung der Kantorei nicht episodenhaft, sondern wie aus einem Guss klingend.

Mit einem weiteren Publikumsliebling begann der letzte Teil des Abends, Charpentiers „Te Deum“. Das Vorspiel dieses frühbarocken Werks kennt selbst der Musiklaie als Eurovisions-Hymne, die vor jedem ESC erklingt, doch das „Te Deum“ ist viel mehr als das. Der frühkirchliche Dankesgesang wurde vom französischen Komponisten in ein komplex strukturiertes Werk gegossen, in dem sich Chor und Solisten gegenseitig mitnehmen oder abwechseln, immer im Einklang mit dem emotionalen Gehalt des Textes. Das Orchester Esto mihi begleitete die Singstimmen punktgenau und durfte immer wieder, mit Saitenakrobatik, Paukenschlag oder Trompetenstößen, eigene Punkte setzen, immer getragen von dem unerschütterlich arbeitenden Hagen Heinicke an den Tasten. Das „Te Deum“ endete mit dem fünffachen Solostück „Dignare Domini“ mit der zusätzlichen Sopranistin Bogna Bernagiewicz, bis alle zusammen mit dem Chor noch einmal alle Kräfte zusammennahmen. Mit langanhaltendem Applaus und Dank endete der gelungene Abend in St. Stephan.

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