01/12/2025 0 Kommentare
Zwei Stunden barocke Weihnacht
Zwei Stunden barocke Weihnacht
# Kirchenmusik

Zwei Stunden barocke Weihnacht
Mit wortwörtlichen Pauken und Trompeten wurde in Vlothos alter Klosterkirche St. Stephan die Adventszeit eingeläutet: Die Kantorei, das Orchester „Esto mihi“ und eine ganze Reihe musikalischer Gäste brachten die Kantaten 4 bis 6 von Bachs großem Weihnachtsoratorium. Für Kantorin Līga Auguste-Meier schloß sich mit dem gelungenen Abend in St. Stephan ein Kreis, den sie vor acht Jahren begonnen hatte.
In der schon adventlich geschmückten und vollbesetzten Kirche wartete auf die Kantorei St. Stephan, personnel verstärkt und gut aufgelegt, ein arbeitsreicher musikalischer Abend. Denn Kantorin Līga Auguste-Meier hatte nicht nur die Kantaten 4 bis 6 des Oratoriums eingeplant. Mit gutem Gespür für die Publikumslieblinge wie „Jauchzet, frohlocket“ hatte sie zusätzlich den ersten Teil des barocken Meisterwerks ins Programm aufgenommen. Līga Auguste-Meier hatte diese ersten Teile des Weihnachtsoratoriums 2017, in ihrer ersten Adventszeit in Vlotho, aufgeführt, und es war der Kantorin ein Anliegen, auch den Rest des Adventsklassikers von 1734 nach Vlotho zu bringen.



Schon 2017 dabei war Andreas Fischer, der als Evangelist das Publikum durch die Weihnachtsgeschichte leitete. Der erfahrene Tenor begeisterte schon damals mit der Klarheit seiner Stimme - eine Qualität, die ihm auch fast ein Jahrzehnt später nicht abhanden gekommen ist. Mit seinem ungewöhnlich sauberen Gesang und Präzision besonders in den narrativen Momenten half er dem Publikum, der Geschichte zu folgen. In den Arien dann, die Bach dem mit den Rezitativen schon gut ausgelasteten Tenor zusätzlich gab, zeigte Andreas Fischer Wärme und emotionalen Ausdruck, die man vom höflich zurückhaltend auftretenden Sänger erst nicht erwartet.
Auch seine Mit-Solisten feierten den Abend. Kreiskantor József Opicz begeisterte mit seinem ungewöhnlichen Alt, der gleich in der ersten Kantate voll zum Einsatz kam. Er und die Sopranistin Irina Trutneva genossen sichtlich das von Līga Auguste-Meier gewählte, nicht übereilte Tempo, das ihnen erlaubte, jeden Ton voll auszusingen. Trutneva glänzte besonders in der Arie „Flößt, mein Heiland“. Bach hat diese Arie als internes Zwiegespräch gestaltet, in dem die Sopranistin sich selbst antwortet, in Vlotho mit Simone Jungmann als Echo-Sopran. Dieser musikalische Kniff verstärkte nicht nur die von Irina Trutneva ausgedrückte Emotionalität der Arie, sondern zeigte auch die humorvolle Seite des Leipziger Barockgiganten. Mathis Koch, der als vierter Solist seine Mitstreiter um eine Kopflänge überragte, ging mit seinem Bass-Bariton nicht in die von ihm gewohnten Tiefen. Stattdessen zielte auch er auf eine saubere Verständlichkeit der Inhalte.
Getragen wurde alles von einem weiteren Gast des Abends, Hans-Martin Kiefer. Der Kantor und Organist aus Bünde hat als Dozent an der Hochschule für Kirchenmusik eine Generation Musiker mitgeprägt, darunter die Vlothoer Kantorin. Mit unermüdlicher Arbeit am Orgelpositiv baute er mit dem Generalbass das musikalische Fundament des Abends, auf dem die Solisten und die Instrumentalisten um ihn herum strahlen durften, unterstützt von Tomoko Yano-Ebmeyers Fagott. Beide ließen Raum für die Streicher um Simone Gisinger-Hirn, die Oboen von Judith Schaible und Andrea Filz oder die Gruppe der Barocktrompeten. Letztere waren nicht nur für die häufigen Fanfaren zuständig, sondern setzten auch einzelne solistische Ausrufezeichen mit dem ungewohnten Klang der nach barocken Vorbildern konstruierten Instrumente.
Und immer wieder zeigte die Kantorei ihre Exzellenz mit viel Präsenz und Wucht, aber auch außergewöhnlich emotionaler Stimmung. Die Sängerinnen und Sänger des Chors brachten auch Präzision und Klarheit, um die Geschichte hörbar zu machen. In den Chorälen konnte das Publikum sich wiederfinden: Auch wenn sie schon zu Bachs Zeiten nicht von der Gemeinde mitgesungen wurden, fühlen sie sich nach Gemeindegesang an. Oft bringen sie bekannte Melodien: „Wie soll ich Dich empfangen?“ aus dem ersten Teil und „Nun seid Ihr wohl gerochen“ vom Schluss nehmen das bekannte „O Haupt voll Blut und Wunden“ auf. Bach schlug damit nicht nur eine theologische Brücke zwischen der Weihnachts- und Passionsgeschichte. Als effizienter Großserien-Komponist wußte er auch, welche Melodien beim Publikum ankommen und Wiedererkennungswert haben.
Mit diesem letzten Choral endete nach zwei Stunden und zu langanhaltendem Applaus das Weihnachtsoratorium in St. Stephan. Es war für alle Akteure ein gelungener Beweis der geballten musikalischen Kompetenz in Vlotho. Besonders ihre Sängerinnen und Sängern in der Kantorei, die eine unbestrittene Bestleistung abgeliefert hatten, feierte Kantorin Līga Auguste-Meier: „Dieses Oratorium war ihr Werk“.
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